WICHTIGER KOMMENTAR (hinzugefügt im Jänner 2021):
Liebe Leser*innen,
Diese Arbeit enstand vor mittlerweile mehr als 5 Jahren im Rahmen meines Abschlusses an der MUK-Privatuniversität Wien.
Vieles würde ich aus heutigerr Sicht anders formulieren und bewerten. Hier möchte ich meinen tiefen Dank an Tanja Erhart aussprechen, ohne die ich vieles nicht (kennen)gelernt hätte.
Im Sinne eines lebendigen Austausches möchte ich diese Version der Arbeit hier trotzdem verfügbar lassen, da die Grundaussage des Werkes meiner Meinung nach noch immer ihre Berechtigung hat und
demnach Sichtbarkeit verdient. Ich bin aber sehr dankbar, dass ich im Laufe derr letzten Jahre tiefere Einblicke in Ableism, Social Justice, Disability Justice und Allyship bekommen durfte und
möchte euch/Sie bitten diese Bacheor-Arbeit als Kind ihrer Zeit zu sehen.
Ich freue mich auf Austausch, auf Weiterentwicklung, über Fragen, Zweifel und Gedanken.
Mit besten Grüßen,
Katharina
Bachelorarbeit über die Bedeutung von Inklusion in Institutionen des zeitgenössischen Tanzes in Österreich
Ausgezeichnet mit dem Wissenschaftsstipendium der Wiener Magistratsabteilung für Kultur (MA 7)
Vor
zehn Jahren trat das Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft; die dazugehörige Übergangsfrist zur Kostengrenze für bauliche Maßnahmen fiel mit dem 1. Jänner 2016. Doch nicht nur die räumliche
Barrierefreiheit ist eine essenzielle Grundvoraussetzung der Inklusion. Der Inklusionsbegriff wird auch in der
UN-Behindertenrechtskonvention verwendet, die von Österreich mitunterzeichnet wurde. Die Republik Österreich verpflichtete sich somit die Menschenrechte von Menschen mit Behinderung zu fördern,
zu schützen und zu gewährleisten.
In der Konvention wird die ganzheitliche und gleichberechtigte Inklusion aller Menschen mit Behinderung in allen gesellschaftlichen Feldern (Bildung, Wohnen, Arbeit, Freizeit,…) gefordert.
In allen gesellschaftlichen Feldern? Wie ist es dann möglich, dass Menschen mit Behinderung meist weder in der darstellenden Kunst, noch auf zeitgenössischen Bühnen oder in den
Tanzausbildungsstätten vertreten sind?
Die Autorin Katharina Senk hat sich nach ihrer langjährigen Unterrichtstätigkeit beim Wiener Verein „Ich bin O.K.“, die in Folge eines Praktikums über die Konservatorium Wien Privatuniversität
entstanden war, intensiv mit Inklusivem Tanz beschäftigt. Für die tänzerische Förderung des Potenzials der Vereinsmitglieder gibt es von staatlicher Seite wenig (inklusive) Strukturen–
diese Vermutung zu überprüfen und die (Ausbildungs-) Möglichkeiten für TänzerInnen mit Behinderung zu analysieren, dienten als wichtiger persönlicher
Ausgangspunkt dieser Arbeit.
In der Bachelorarbeit wird die
Relevanz von Inklusion an Bühnentanzausbildungen, als Vorrausetzung für Inklusion innerhalb professioneller Tanzproduktionen, hinterfragt.
Das Augenmerk wird ganz bewusst auf Ausbildungsstätten für Bühnentanz gerichtet, da diese Institutionen einerseits an der Schnittstelle von staatlichen (Bildungs-) Initiativen und der freien
Szene stehen, andererseits, durch ihr Curriculum eine Agenda für die tänzerisch-künstlerische, und dadurch verbundene soziopolitische, Zukunft eines Staates entwerfen.
Im Rahmen dieser Abhandlung wird vor allem die Situation von Menschen mit Behinderung durchleuchtet und bearbeitet, da eine Erweiterung auf andere Gruppen, die aufgrund ihrer Herkunft, ihrer
Religion, ihres Alters und so weiter in unserer Gesellschaft von Marginalisierung und Ausschluss bedroht sind, den Rahmen dieser Arbeit bei Weitem überschritten hätte.
Dem Tanz kann eine katalysatorische Wirkung für gesellschaftspolitische Prozesse innewohnen, da bereits die „Verkörperung“ und sinnliche Erfahrbarkeit einer Tanzform, die vorherrschende
gesellschaftliche Strukturen und Erwartungen aufbricht, als Akt der Rebellion gesehen werden kann. Als Beispiel hierfür kann die Tanzform des Rock´n´Roll genannt werden, die gleicherweise als
Vorbotin für spätere soziale Umbrüche diente. Eben aufgrund dieser Möglichkeit des Tanzes, als Katalysator der gesellschaftlichen Entwicklung zu dienen, liegt der Fokus dieser Arbeit, unter
anderem, auf der Wechselwirkung zwischen sozialem Umfeld und der Tanzwelt. Es gilt, die potenzielle Vorbildwirkung von Inklusivem Tanz für unsere Gesellschaft zu beleuchten: Kann ein inklusives
(Tanz-) Ensemble auf der Bühne als gesellschaftlicher Prototyp dienen? Verändert und beeinflusst das Erleben von Inklusivem Tanz die ZuschauerInnen dahingehend, den inklusiven Grundgedanken
selbst auch verstärkt im Alltag „zu leben“?
Neben einer Heranführung an das Thema
der Inklusion in professionellen Tanzausbildungsmöglichkeiten und der Vorstellung des „Inklusiven Tanzes“, beziehungsweise des „Integrated Dance“, ist die Definition und Hinterfragung der
benutzen Begrifflichkeiten und ein sich darauf stützender Exkurs unverzichtbar.
Nach einer Klärung des Inklusionsbegriffes, und einer Suche nach den vorherrschenden Gründen für Exklusion in unserer Gesellschaft, ebenso wie im künstlerischen Umfeld, wird in der Arbeit vor allem die Situation im Bühnentanz und an Bühnentanzausbildungen im deutschen Sprachraum analysiert. Für diesen Diskurs bietet die
UNO-Behindertenrechtskonvention eine wichtige Grundlage. Im Zuge des weiteren Verlaufes der Arbeit werden geschichtliche Gegebenheiten erläutert, um viele der derzeit herrschenden Strukturen
reflektieren zu können.
Zudem wird verstärkt auf Großbritannien verwiesen, da das Vereinigte Königreich in puncto Inklusivem Tanz und dessen Entwicklung eine treibende Kraft war, und dies noch immer ist. Durch das
Begutachten dort vorhandender und funktionierender Strukturen zur tänzerischen Inklusion von Menschen mit Behinderung, und dem Vergleich mit Österreich, sollen Rückschlüsse gezogen und
gleichzeitig mögliche Perspektiven für die österreichische Tanz(ausbildungs)szene sichtbar gemacht werden. Im letzten Teil der Arbeit werden demnach
Einblicke in die bereits existierenden inklusiven Strukturen für Tanz sowie Ausblicke für die weitere Zukunft der Inklusion an Bühnentanzausbildungen geboten.
Tanzausbildungen, die den Anspruch haben eine lebendige zeitgenössische Tanzszene mitzugestalten, sind in ihrer Anerkennung der vollen Bandbreite dessen, was das Leben an Vielfalt zu bieten hat, gefordert: Eine Bandbreite an Körpern, Erfahrungen, Bewegungsmöglichkeiten, Interessen und Bedürfnissen.
Durch ein Mehr an Akzeptanz für die Kunst behinderter Menschen, wäre auch eine Loslösung aus dem „sozialen Eck“ der Bedürftigkeit möglich. Staatliche Förderung und Anerkennung der Kunst von Menschen mit Behinderung als Kunst, und nicht als Beschäftigungsmaßnahme oder gar Therapieform, wären weitere Schritte, um Kunstschaffende mit Behinderung als gleichwertigen Teil der „Szene“ anzuerkennen. Hier geht es nicht nur um Akzeptanz, sondern, vielmehr um das Erkennen, dass die zeitgenössische Tanzbühne, und in ihrer Konsequenz auch die dafür gedachten Ausbildungsmodelle, ein Bedürfnis nach inklusiven Konzepten und KünstlerInnen haben.